Der Vorteil des entspannten langfristigen Investierens

Der Vorteil des entspannten langfristigen Investierens

Im letzten Artikel (Steuern sparen durch Buy & Hold) wurde bereits über den steuerlichen Vorteil eines langfristigen Anlagehorizontes durch den Barwerteffekt argumentiert. In diesem Artikel geht es um den emotionalen probabilistischen Vorteil durch das langfristige entspannte Investieren.

Es wird ein kurzer Exkurs in die Mathematik-Stochastik gemacht, um die Idee und das Ziel daraus abzuleiten.

Einführung (Erwartete Rendite und Volatilität)

Um das Thema zu beleuchten, muss zuerst das Thema langfristige erwartete Rendite und Volatilität eingegangen werden. Dazu muss ich noch einmal die Schulmathematik hervorholen – Stochastik.

Die langfristige erwartete Rendite gibt den probabilistischen Durchschnitt der jährlichen Rendite eines Portfolios, einer Aktie oder eines anderen Finanzinstrumentes aus. Bei einer durchschnittlich jährlichen erwarteten Rendite von beispielsweise 15 % liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite nach einem Jahr >15 % ist, bei 50 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite nach einem Jahr <15 % liegt auch bei 50 % (Rendite von exakt 15 % wird vernachlässigt).

Die Volatilität gibt an, wie groß die Schwankungsbreite des langfristigen Trends ist. Bei einer Volatilität von beispielsweise 10 % und der eben eingeführten jährlichen Rendite von 15 % ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 % die Rendite nach einem Jahr zwischen 5 % und 25 %. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % eine Rendite nach einem Jahr von -5 % bis 25 %. Die Standardabweichung entspricht also der Volatilität.

Vereinfachtes Normalverteilung mit Wahrscheinlichkeit; „0“ entspricht der durchschnittlichen erwarteten jährlicnhe Rendite, Standardabweichung \sigma entspricht der Volatitlität

Dies kann mittels der Gaußschen Glockenkurve/Normalverteilung nachvollzogen werden.

Die Wahrscheinlichkeitswerte in Beispielen erklärt

Was bedeutet das vorangegangene Beispiel mit einer durchschnittlich erwarteten Rendite von 15 % pro Jahr und einer Volatilität von 10 % (Ohne Frage ist das eine optimistische Betrachtung).

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung über verschiedene Zeithorizonte entsprechend dem Beispiel unter Betrachtung der Normalverteilung.

ZeithorizontWahrscheinlichkeitpositive – negative Erlebnisse pro Jahr
1 Jahr93 %1 – 0
1 Quartal77 %3 – 1
1 Monat67 %8 – 4
1 Tag54 %136 – 115
1 Stunde51,3 %1030 – 977
1 Minute50,17 %60688 – 60271
1 Sekunde50,02 %
Wahrscheinlichkeit einer „Gewinnerzielung“ bei unterschiedlichen Zeithorizonten (15 % p.a. erwartete Rendite, 10 % p.a. Volatilität)

Nehmen wir also an, ein Pensionierter entscheidet sich zukünftig mit Trading ein Zubrot zu verdienen und hat wie angegeben, eine recht erfolgreiche Entwicklung des Portfolios. Wenn er bei einem Achtstundentag minütlich die Wertentwicklung seines Portfolios betrachtet, dann wird er durchschnittlich 241 angenehme und 239 unangenehme Minuten erleben pro Tag. Dies bedeutet aufs Jahr gesehen 60688 freudige Minuten und 60271 leidvolle Minuten.

Es ist zu Bedenken, dass der Schmerz jeder leidvollen Minute sich stärker anfühlt, als das Gefühl der Freude in jeder angenehmen Minute. Ein emotional veranlagter Mensch empfindet jeden Verlust schmerzhaft. Die Freude bei positiver Wertentwicklung reicht nicht an den Schmerz heran.

Wenn ein Pensionierter stattdessen nur einmal im Monat sich einen Auszug seines Portfolios einholt, dann wird er 8 freudige und 4 leidvolle Erlebnisse im Jahr haben.

Wenn er nur einmal im Quartal sich den Auszug vom Portfolio einholt, dann erlebt er 3 freudige und 1 leidvolles Quartal.

Wenn er sich nur ein Auszug vom Portfolio pro Jahr einholt, dann wird er auf 20 Jahre nur einen leidvollen Blick auf den Auszug werfen.

Ich verweise darauf, dass dies reine Mathematik ist. Die Zahlen haben aus probabilistischer Sicht so wie Sie stehen Ihre Richtigkeit. Das finanzielle Ergebnis ist nicht abhängig von der Anzahl der positiven und negativen Emotionen.

Fazit

In diesem Artikel geht es nicht darum, wie oder welche finanziellen Entscheidungen getroffen werden sollen. Das Thema, welche Kapitalanlagen, welche Renditen und für welche Investoren geeignet sind, ist hiervon nicht betroffen. Es soll die Zahlen offen legen, dass ein entspanntes Investieren sich emotional auszahlt.

Was ist der langfristige Vorteil, denn ich für mich daraus ableite:

  • Aus emotionaler Sicht so selten wie möglich ins Portfolio blicken
  • der Versuch: Investitionsanalysen und -entscheidungen ohne den Lärm der Börse und der Nachrichten zu treffen

Das Ziel ist, langfristig entspannt und emotional befreit zu investieren. Viel Erfolg auf eurem Weg!

Bernd

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